Spannungsfeld Klimakommunikation: Zwischen Fakten, Gefühlen und Fake News
Emotionale Bilder, konkrete Lösungen, klare Haltung: In Zeiten multipler Krisen muss CR-Kommunikation mehr denn je überzeugen, weiß Melanie Kubin-Hardewig, Vice President Group Corporate Responsibility bei der Deutschen Telekom. Im UmweltDialog-Interview erklärt sie, wie man Filterblasen überwindet, Kritik souverän begegnet und Nachhaltigkeit glaubwürdig vermittelt.
16.06.2025
UmweltDialog: Ende März launchte die Deutsche Telekom die Klima-Kampagne Warmland. Damit haben Sie ein aufwändiges Klima-Narrativ inszeniert – Miniaturwelten, Augmented Reality, emotionale Botschaften. Ist das die neue Blaupause für zukünftige CR-Kommunikation? Und was nehmen Sie aus dem Projekt mit?
Melanie Kubin-Hardewig: In der gesellschaftlichen Diskussion ist der Klimawandel in den Hintergrund geraten. Neue Temperaturrekorde werden berichtet, erfahren aber wenig Aufmerksamkeit. Das ist gefährlich: Der Klimawandel hört ja nicht auf, nur weil wir ihn ignorieren. Mit der Kampagne wollten wir genau dort ansetzen und die Folgen des Klimawandels an beliebten Reisezielen im Miniaturwunderland für die Menschen erfahrbar machen. Die Kampagne lädt dazu ein, hinzusehen und aktiv zu werden. Dafür haben wir den emotionsstarken Film mit einer Landingpage verlängert, auf der Interessierte den Temperaturanstieg an Orten wie Monaco selbst simulieren können und konkrete Handlungstipps finden. Auch unsere eigenen Anstrengungen zeigen wir dort – Ende 2025 wollen wir im eigenen Betrieb klimaneutral sein. 94 Prozent unserer Emissionen haben wir seit 2017 bereits reduziert.
Als „Blaupause“ würde ich die Kampagne nicht bezeichnen. Um in der Nachrichtenflut durchzudringen, müssen wir Aufmerksamkeit erregen. Die Bilder aus dem Miniaturwunderland waren überraschend. Das hat Aufmerksamkeit gebracht, aber lässt sich nicht 1:1 wiederholen. Wichtig ist jedoch die zu Grunde liegende Mechanik: Das Zusammenspiel aus Emotionen und starken Bildern, gekoppelt mit Lösungen und Fakten.
Die Kampagne stieß allerdings nicht nur auf Applaus – von „Klimapanik“ bis „Kindermanipulation“ war vieles vor allem in den Kommentarbereichen von Social Media dabei. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um – und wo ziehen Sie Grenzen in der Debatte?
Kubin-Hardewig: Zuallererst: die Resonanz war mehrheitlich klar positiv, nur rund fünf Prozent der Reaktionen fielen negativ aus. Mit Kritik hatten wir gerechnet, und sie kam tatsächlich aus den erwartbaren Ecken. Spannend fand ich, wie gerade auf Social Media das Phänomen der „Troll-Armeen“ deutlich geworden ist: Auf einen negativen Aufruf hin häuften sich dann innerhalb kurzer Zeit viele gleichlautende Kommentare von einschlägigen Accounts und Bots. Die Kritik war klar orchestriert und darf als solche nicht mit organischen, echten Reaktionen aus dem Netz oder breiter öffentlicher Meinung verwechselt oder überbewertet werden.
Gefährlich können solche Narrative dennoch werden. Denn bei häufiger Wiederholung bleiben auch falsche Aussagen eher hängen. Umso wichtiger ist es, ihnen mit guter Klimakommunikation standzuhalten. Nicht in kleinen Einzelscharmützeln mit Bots, sondern indem wir transparent und belegbar erzählen, welche Maßnahmen wirken – sehr pragmatisch und ohne moralische Keule.
Den Vorwurf der „Kindermanipulation“ fand ich persönlich übrigens realitätsfern. Kinder nehmen die Welt sehr aufmerksam wahr und sprechen Missstände oft viel direkter an. Der Spot hat eine FSK0-Klassifizierung und richtet sich vor allem an Erwachsene. Er fordert gerade uns auf, sich der Realität zu stellen – mit der unverblümten Direktheit und durch die Augen eines Kindes.
Krieg, Inflation, politische Unsicherheiten, Krisenmodus: Seit Jahren rücken Klima- und Umweltschutz in der Priorität zunehmend nach hinten – auch wenn sie grundsätzlich noch eine Rolle spielen. Das zeigt zum einen die aktuelle Studie vom Umweltbundesamt zum Umweltbewusstsein in Deutschland. Zum anderen zieht sich auch die Politik vermehrt aus der Debatte zurück, wie man etwa an der Omnibusverordnung sieht. Wie muss sich CR-Kommunikation positionieren, um nicht unterzugehen?
Kubin-Hardewig: In der heutigen Zeit der Vielfachkrisen reagieren viele Menschen auf die Nachrichtenflut mit Erschöpfung oder Überforderung, besonders bei Klimanachrichten. Gleichzeitig hat die Politik bei ihren Regulierungsbemühungen teilweise überbordende Bürokratie geschaffen, eine Korrektur auf ein gesundes Maß begrüße ich dabei.
Gute Klimakommunikation muss auf beide Entwicklungen eingehen und sie in Chancen umwandeln. Emotionale Ansätze können Türen öffnen, aber entscheidend ist, konkrete Lösungen und Vorteile hervorzuheben. Klimaschutz sollte nicht als Belastung, sondern als Chance präsentiert werden. Bei der Deutschen Telekom haben wir bereits 1995 erste Ziele für Energieeffizienz und CO2-Senkung gesetzt, nicht aus reiner Naturliebe, sondern weil ein effizienter Umgang mit Ressourcen wirtschaftlich sinnvoll ist.
Zwei Drittel der Befragten der UBA-Studie nehmen kaum ernsthaftes Engagement von Unternehmen wahr. Warum ist das so – und wie kann CR-Kommunikation diese Lücke schließen?
Kubin-Hardewig: Die Wahrnehmung von Unternehmensengagement hängt stark von individuellen Perspektiven und Erfahrungen ab. In unserer Gesellschaft ist das Narrativ des „Greenwashing“ weit verbreitet, und häufig erleben Vorreiter Hindernisse durch Regulierung und NGO-Kritik. Wenn Produktinformationen so verkompliziert werden, dass Unternehmen aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen schweigen, führt das eher zu Greenhushing, was den Verbrauchern kaum weiterhilft. Die aktuell diskutierte Green Claims Directive treibt genau diese Entwicklung. Ich wünsche mir, dass wir mehr Vertrauen in die Mündigkeit der Konsumenten haben. Bei der Deutschen Telekom passen wir unsere Kommunikation kontinuierlich an, bieten sowohl leicht verständliche Inhalte für Social Media als auch umfassendere Informationen für die, die es genauer wissen möchten.
Wer Klima-Content ignorieren will, bekommt ihn dank Algorithmen auch nicht mehr zu sehen. Wie erreichen Sie die, die sich für Nachhaltigkeitsfragen nicht interessieren (wollen)?
Kubin-Hardewig: Filterblasen durch Algorithmen sind eine große Herausforderung. Um diese zu durchbrechen, ist es wichtig, aus der eigenen Blase auszutreten und in die der anderen einzutreten. Das Gute daran: Nachhaltigkeit ist ein universelles Thema, das man kommunikativ in vielen Kommunikationsanlässen unterbringen kann. Entscheidend ist, die richtige Zielgruppe mit der passenden Botschaft anzusprechen. Wir weben Nachhaltigkeit in unterschiedliche Kommunikationskontexte ein, sei es bei der Hauptversammlung, auf Messen oder in der Kundenkommunikation. Besonders erfolgreich sind dabei anschauliche Geschichten und konkrete Beispiele, die greifbare Schritte und Erfolge aufzeigen. Zum Beispiel, wie Innovationen im Netzausbau die Energieeffizienz steigern und so ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind. So erreichen wir auch die Menschen, die sich bisher nicht für Nachhaltigkeitsfragen interessiert haben.
Emotionen für die breite Öffentlichkeit, blanke Zahlen für Geschäftskunden – greift dieses Schema noch? Oder braucht auch B2B-Kommunikation heute mehr Haltung?
Kubin-Hardewig: Ich denke, eher umgekehrt. Die Öffentlichkeit braucht neben Emotionen auch klare, vertrauenswürdige Fakten. Und in der B2B-Kommunikation muss neben dem kaufmännischen auch der volkswirtschaftliche Mehrwert von Klima- und Umweltschutz betont werden.
Zwischen Strategiepapier und echter Veränderung klafft oft eine Lücke – und die Öffentlichkeit wird skeptischer. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre ESG-Kommunikation glaubwürdig bleibt und tatsächliche Fortschritte reflektiert?
Kubin-Hardewig: Skepsis ist erst einmal nichts schlechtes, solange ein ehrliches und interessiertes Nachfragen damit einhergeht. Viel gefährlicher ist Desinteresse.
Wir haben in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen mit transparenter, ehrlicher Kommunikation gemacht, die wir immer auch den Erwartungen der Stakeholder anpassen. Beispielsweise haben wir unsere Nachhaltigkeitserklärung im Geschäftsbericht auf KI-Auslesbarkeit optimiert. Stichwort Übersichtlichkeit: In unserem neuen Corporate Responsibility Bericht zeigen wir in jedem Kapitel anhand eines Zeitstrahls, welche Schritte wir in der Vergangenheit unternommen haben, wo wir aktuell stehen und was unsere nächsten Pläne sind.
Vielen Dank für das Gespräch!